Betrachtungen zum Thema Jugend, Alter und Wandel und ihre Realität in der Verbindung
(aus der Rede von AHP Luigi Bellina v/o Rosso zum 103. Stiftungsfest)
So paradox es klingt, die Auseinandersetzung zwischen Jugend und Alter ist eine statische Größe in der bisher bekannten Menschheitsgeschichte, ich meine damit, alle Anstrengungen die gegensätzlichen Positionen aufzulösen waren bisher nicht oder nur scheinbar erfolgreich. Um das zu verdeutlichen, möchte ich dazu einige Zitate heranziehen:
„Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“ (Keilschrifttext aus Ur um 2000 v. Chr.)
„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten soll. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Sokrates (470 – 399 v. Chr.)
» …die Schüler achten Lehrer und Erzieher gering. Überhaupt, die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat.«
Platon (427 – 347v.Chr.) in »Der Staat«
„Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.“ (Aristoteles 384 – 322 v. Chr.)
„Jugend ist Trunkenheit ohne Wein.“ und „Der Jugend Kenntnis ist mit Lumpen gefüttert.“
Johann Wolfgang von Goethe, (1749 – 1832)
Ähnliche oder fast gleichlautende Urteile hören oder lesen wir tagtäglich, und zugegeben, wir sind als Ältere schnell mal mit einem ähnlichen (Vor-) Urteil zur Hand, wenn wir genervt mit ansehen, wie die Jugend kostbare Zeit mit Facebook, Whatsapp, Internet, Videospielen und Fernsehen verbrennt. Offenbar ist es – global und oberflächlich betrachtet – der Menschheit bis heute nicht gelungen, den Konflikt zwischen Jung und Alt aufzulösen.
Die Darwin’sche Evolutionstheorie hat zwar in der Biologie einiges erklärt, sie hat die bisher bekannten Entwicklungen in der Natur deutlich gemacht und ist heute wissenschaftlich unbestritten. Äußerst fraglich ist, inwieweit es eine Parallele zur sozialen Evolution gibt. Tatsache ist jedenfalls, dass sich Geschichte oft wiederholt. Dass wir Menschen Fehler wiederholen, dass Verhalten sich zwar scheinbar verändert, aber auf gewissen Abstraktionsebenen doch unverändert bleibt. Ich habe mir einige Gedanken gemacht, woran das liegen kann und einige Aspekte gegenübergestellt:
Mit Jugend assoziieren wir oft Spannung, Neugier, Risikobereitschaft, Sprunghaftigkeit, von Gefühlen getriebene Aktionen, Ungeduld neue Ideen umzusetzen, Provokation und Opposition gegen Althergebrachtes. Dem Alter wird gemeinhin Weisheit, Erfahrung, Voraussicht, Ruhe, Gelassenheit zu gesprochen.
Wir alle, ob jung oder alt, sind Kinder unserer Zeit. Sowohl im Kurzzeitrahmen wie auch im Rahmen unseres bisherigen Lebens. Das was wir am besten erfassen und verstehen können, ist das was wir persönlich im Kontext dessen, was um uns herum geschieht, erleben oder erlebt haben. Vermutlich deshalb, weil wir selbst als Teil dieses Zusammenhangs befangen sind.
Alles was aus zweiter oder dritter Hand an uns herangetragen wird, ist nur Erzählung. Wir interpretieren es, müssen es uns vorstellen – was wiederum auf unter Einfluss der jeweils eigenen Sichtweise und Priorisierung geschieht. Vergangenes, aus einer Zeit die wir nicht persönlich gekannt haben, kann uns deshalb nie so nah berühren wie selbst Erlebtes.
Auf einem Zeitstrahl hat die Jugend das meiste vor sich, das Alter das meiste hinter sich. Jugend plant – Alter erzählt. Überlappung gibt es nur in einem winzigen Fenster, im Augenblick der Gegenwart. Das erklärt schon die geringe Übereinstimmung, warum es so ist wie es ist, warum so viele Positionen auseinanderklaffen.
Vielleicht waren bei der Gründung unserer Verbindung andere Gedanken ausschlag-gebend, vielleicht war es aber gerade Absicht etwas zu schaffen, das Alt und Jung verbindet; möglicherweise die Erkenntnis, dass der Schlüssel in der Kombination liegt, nur die Ergänzung Bestand haben kann und Potenziale für den gemeinsamen Erfolg freisetzt. Häufiger Austausch über die Altersschranken hinweg bietet Möglichkeiten und Chancen für gegenseitiges Verstehen, Traditionen weiterzugeben, Erinnerungen wach zu halten, Geschichte fortzu-schreiben, die Wurzeln nicht zu vergessen.
Es beinhaltet aber auch, Neuerungen und andere Betrachtungsweisen zu akzeptieren und auch zu verstehen, einzusehen, dass manch Liebgewonnenes aus der Vergangenheit nicht länger die einstmalige Popularität genießt. Der Baum muss neue Triebe bilden, er muß leben und wachsen, sich erneuern.
Und wenn ihre Äste verkahlt sind und keinen Ertrag mehr bringen, es nicht mehr aus eigener Kraft schaffen, werden Bäume manchmal radikal zurückgeschnitten. Veredelt und mit Edelreisern gepfropft wird dem Zahn der Zeit noch einmal ein Schnippchen geschlagen. Auf einem gesunden Unterbau aus Wurzelwerk und Stamm lässt sich in wenigen Jahren eine neue Krone aufbauen, mit sorgfältiger Pflege lassen sich hochwertige Ernten erzielen.
Das Verständnis, dass Jugend so ist wie sie ist und auch sein muss, gehört ebenso zu unserer Gemeinschaft, auch wenn es uns Alten mit unserer abgeklärten Lebenserfahrung schwer fällt. Wir waren natürlich anders als die heutige Jugend – aber wenn wir ganz konsequent und ehrlich zu uns selbst sind – wir waren irgendwie der heutigen Jugend auch sehr ähnlich.
Es gibt Widersprüche die sich nicht auflösen lassen, wobei keine der Positionen richtig oder falsch sein muss. Die einzige Chance ist, ihre Existenz zu akzeptieren, sie als untrennbare Teile des Gesamtzusammenhangs zu sehen. Das Zusammenspiel von Jung und Alt ist die eigentliche Qualität, das zeigt sich in vielen Bereichen der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Wissenschaft und Forschung. Neugier, Wissensdurst, Experimentierfreudigkeit und Risikobereitschaft ergänzen sich mit Erfahrung, Wissen, weiser Abwägung, logischer Betrachtung, Vorausschau, Ruhe und Geduld.
Viele Firmen setzen heute zunehmend darauf, gemischte Projektteams einzusetzen, allerdings braucht es ein entsprechendes Coaching um die Umgangsregeln sicherzustellen. Ohne Kultur der Toleranz und gegenseitigen Wertschätzung ist die Zusammenarbeit äußerst schwierig.
Die Voraussetzung, die Kombination von Alt und Jung zu erleben und zu trainieren sehe ich in unserer Verbindung in idealer Weise gegeben, hier treffen wir uns um in Freundschaft das was uns bewegt zu diskutieren und zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Auch hier ist die gegenseitige Wertschätzung das höchste Gut, das wir bei jeder Auseinandersetzung nicht aus den Augen verlieren dürfen. Mit Selbstbeherrschung zum Wohle der Freundschaft und Gemeinschaft diskutieren bedeutet nicht, kneifen und Themen vermeiden – sondern die offene und sachliche Betrachtung vorantreiben.
Ich hoffe, dass es uns weiterhin gelingt in diesem Sinne den Fortbestand unserer TWV Alania zu unterstützen und zu sichern, denn es lohnt sich.
Heute ist vieles nicht mehr wie es gestern war und gestern war es auch schon nicht mehr wie vorgestern. Veränderung ist Realität, denn auch Wachstum und Blühen ist Wandel. Diese Einsicht und Hoffnung steckt auch in unserem Wunsch: Vivat, crescat floreat TWV Alania ad Aeternum.
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